Kein Recht auf Zusendung von Behandlungsunterlagen im Original
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat mit Beschluss vom 09.05.2011 (8 W 20/11) entschieden, dass Patienten kein Anspruch auf die Zusendung von Originalbehandlungsakten zusteht. Zwar bestehe das Recht die Behandlungsunterlagen im Original einzusehen, allerdings nur in den Praxisräumen des behandelnden Arztes.
Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist die Dokumentationspflicht des Arztes. Die ärztlichen Aufzeichnungen dienen nach § 10 der Musterberufsordnung (MBO) nicht nur als Gedächtnisstütze für den Arzt, sondern auch dem Interesse des Patienten an einer ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren Dokumentation. Das Recht des Patienten, die Unterlagen über seine Behandlung einsehen zu dürfen, ist in § 10 Abs. 2 MBO festgehalten, wonach der Arzt dem Patienten auf dessen Verlangen Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen zu gewähren hat.
Das Einsichtsrecht des Patienten in die Originalbehandlungsakten, ergibt sich aus einer Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag, und wird darüber hinaus vom Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und seiner personalen Würde begründet.
Dieses Recht des Patienten auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen besteht auch außerhalb eines Arzthaftungsprozesses und muss vom Patienten nicht einmal begründet werden. Vielmehr reicht regelmäßig die schlichte Aufforderung aus. Der Anspruch des Patienten auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen umfasst sämtliche Aufzeichnungen über objektive Befunde und Behandlungsdaten, insbesondere die Medikation, Operationsberichte, Laborbefunde, Diagnosen, ärztliche Anordnungen, EKG-Streifen, Röntgenbilder, Fotodokumentationen etc.
Nach Ansicht des BGH schließt das Recht des Patienten zur Einsichtnahme jedoch keine persönlichen Bemerkungen des Arztes mit ein. Nicht nur wegen der „zwangläufig emotionellen Färbung und der in ihnen enthaltenen subjektiven Wertungen, sondern auch wegen des Hinweises auf später aufgegebene Verdachtsdiagnosen“, dürfen diese der Einsicht des Patienten entzogen werden.
Diese persönlichen Anmerkungen werden in dem Bewusstsein gefertigt, dass der andere gerade keinen Zugang zu ihnen haben soll. Solche Stellen dürfen daher in den Behandlungsunterlagen vor der Herausgabe an den Patienten abgedeckt werden, jedoch muss dies kenntlich gemacht werden.
Eine weitere Ausnahme vom umfassenden Recht des Patienten zur Einsichtnahme betrifft diejenigen Fälle, in denen gerade durch die Kenntnis der Krankenunterlagen eine Gefahr für die Gesundheit des Patienten zu befürchten ist (z.B. bei psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung).
Wie nun auch das OLG Frankfurt in seinem Beschluss bestätigt hat, ist der Arzt grundsätzlich nicht verpflichtet, die Behandlungsunterlagen an den Patienten im Original herauszugeben, da diese im Alleineigentum des Arztes bzw. des Klinikträgers stehen; man sollte dies auch aus Gründen der Beweissicherung regelmäßig nicht tun. Der Patient kann jedoch verlangen, die Behandlungsunterlagen im Original einzusehen. Einem solchen Verlangen muss aus den genannten Gründen nachgekommen werden. In der Praxis wird dem Herausgabeverlangen jedoch regelmäßig durch die Überlassung von Fotokopien genügt.
In diesem Fall steht dem Arzt gegen den Patienten ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anfertigung der Kopien zu – durchsetzbar sind in der Regel Kopierkosten in Höhe von 50 Cent pro Din-A4-Seite. Nach Auffassung des OLG Frankfurt ist der Patient insoweit sogar verpflichtet einen Vorschuss der zu erwartenden Kosten anzubieten.
Dem Anspruch eines Patienten auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen sollte dann jedoch zeitnah entsprochen werden. Anderenfalls droht eine Klage des Patienten auf Einsicht oder Herausgabe. Über den Inhalt der Behandlungsunterlagen hinaus bestehen jedoch in aller Regel keine weitergehenden Informationsansprüche des Patienten, so dass einem weitergehenden Auskunftsverlangen auch nicht nachgekommen werden sollte.
Quelle: RAin Anna Stenger, LL.M., Fachanwältin für Medizinrecht
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