Ärztliche Pflicht: Erinnerung von Patienten an Vorsorgetermine?

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat mit Urteil vom 24.06.2010 (5 U 186/10) darüber entschieden, ob eine Verpflichtung des behandelnden Arztes besteht, Patienten an Vorsorgetermine zu erinnern.

Der Sachverhalt:
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte eine Gynäkologin bei einer Patientin Ende 2002 einen klärungsbedürftigen Befund der linken Brust festgestellt. Durch die folgenden Untersuchungen konnte keine eindeutige Klärung des Befundes herbeigeführt werden. Daher empfahl die beklagte Ärztin der Patientin eine Wiedervorstellung nach vier bis sechs Wochen zur Durchführung weiterer Untersuchungen. Die Patientin erschien jedoch erst im April 2004, nach rund 14 Monaten, erneut bei der beklagten Ärztin in der Praxis. Dort wurde ein Mammacarcinom diagnostiziert. Die Brust musste amputiert und anschließend eine Chemo- und Strahlentherapie durchgeführt werden.

Die Patientin verlangte mit der Klage von ihrer Ärztin die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150.000,- Euro. In der ersten Instanz hatte ihr das Landgericht (LG) Trier ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro zugesprochen, da es die Ärztin grob fehlerhaft versäumt habe, ihre Patientin auf den Tumorverdacht und das Erfordernis einer Nachkontrolle im Januar 2003 hinzuweisen.

Die Entscheidungsgründe:
Das OLG Koblenz hob die Entscheidung des LG Trier auf und wies die Klage ab. Der Ärztin sei kein Behandlungsfehler vorzuwerfen. Die zu Beginn der Behandlung durchgeführten Untersuchungen und die Diagnostik seien standardgemäß gewesen und ihr sei zudem kein Befunderhebungsfehler unterlaufen. Das Gericht sah auch keinen groben Organisationsfehler darin, dass die Ärztin die Patientin nicht fernmündlich oder schriftlich zur Wahrnehmung eines weiteren Untersuchungstermins im Januar 2003 aufgefordert habe, nachdem diese der Bitte zur Wiedervorstellung nicht nachgekommen war, zumal vorliegend kein konkreter Verdacht auf ein Krebsleiden bestanden habe.

Es überspanne die Anforderungen an den Arzt, ihm die die Fürsorge für die Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen aufzuerlegen, wenn er den Patienten auf die Notwendigkeit einer erneuten Vorsorgeuntersuchung hinweise, und ihm dafür einen Zeitkorridor nenne. Dies gelte auch dann, wenn es einen konkreten Anlass für eine Untersuchung gebe. Es obliege der Entscheidung des Patienten, ob, wann und bei wem er weitere Vorsorgeuntersuchungen durchführen lasse.

Anmerkungen:
Die Entscheidung des OLG Koblenz ist zu begrüßen, dass es ausreichen muss, wenn ein Arzt den Patienten auf die Notwendigkeit einer erneuten Vorsorgeuntersuchung hinweist und ihm dafür einen konkreten Zeitkorridor nennt. Dennoch kann es Konstellationen geben, in denen eine weitergehende Fürsorge zur Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen besteht.

Diese könne nach Ansicht des OLG Koblenz entstehen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einem bösartigen Befund ausgegangen werden müsse, die Behandlung ersichtlich nicht abgeschlossen sei, weil z.B. ein eingesetztes Teil aus dem Körper entfernt werden müsse, oder der Arzt den Patienten nicht ausreichend über die Notwendigkeit einer Wiedervorstellung aufgeklärt habe.

Haftungsrechtliche Konsequenzen können daher auch nach dieser Entscheidung nicht generell ausgeschlossen werden, sondern es ist immer der jeweilige Einzelfall entscheidend. Von entscheidender Bedeutung ist daher die ordnungsgemäße Dokumentation des Hinweises auf die Notwendigkeit der Wiedervorstellung und des genannten Zeitkorridors.

Quelle: RAin Anna Mündnich, LL.M. Medizinrecht
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