Bundesgerichtshof zur Umkehr der Beweislast bei groben Behandlungsfehlern

In einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 16.11.2004 hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung zur Umkehr der Beweislast beim Vorliegen grober Behandlungsfehler fortgeführt:

Eine Augenärztin im Bereitschaftsdienst hatte ihren Patienten nach ambulanter Untersuchung nicht auf die Gefährdung der Netzhaut durch eine fortschreitende Glaskörperabhebung hingewiesen und ihn auch nicht aufgefordert, diesen Vorgang zeitnah weiter ärztlich kontrollieren zu lassen. Im Prozess hatte der Sachverständige das Unterlassen dieser dringend gebotenen Sicherungsaufklärung als grob fehlerhaft eingestuft. Die beim Patienten später aufgetretene massive Netzhautablösung führte trotz zweier Operationen zur dauerhaften Beeinträchtigung der Sehfähigkeit.

Der BGH hat zunächst das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers bestätigt. Das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers setze neben einem eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln zusätzlich die Feststellung voraus, dass der behandelnde Arzt einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Konsequenz: Im Normalfall muss der Patient beweisen, dass der Fehler des Arztes zu dem Gesundheitsschaden geführt hat; beim groben Behandlungsfehler kehrt sich die Beweislast aber um, so dass jetzt der Arzt zu seiner Entlastung beweisen muss, dass im vorliegenden Fall der Behandlungsfehler ausnahmsweise nicht zu dem Gesundheitsschaden geführt hat.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 328/03)

Praxistipp: Ist die Kausalität medizinisch jedoch äußerst unwahrscheinlich oder hat der Patient durch sein eigenes Verhalten mindestens gleichermaßen den Heilungserfolg vereitelt, kann eine Umkehr der Beweislast beim Vorliegen grober Behandlungsfehler vermieden werden. Das Vorliegen solcher Ausnahmefälle muss aber der Arzt beweisen, so dass die Rechtsverteidigung des Arztes diese Aspekte evtl. mit Hilfe eines eigenen Gutachtens vor Gericht darlegen sollte.

Quelle: WIENKE & BECKER – KÖLN, Rechtsanwälte
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