Trennung statt Kündigung
Gerade die Praxis eröffnet, die ersten Patienten gewonnen – und schon steht die Trennung von einer Assistentin an. Diese Erfahrung muss so manch junger, wie auch gestandener Arzt, erleiden und sieht sich mit einer der unangenehmsten Führungsaufgaben konfrontiert.
Zumeist ist eine Trennung mit enttäuschten Hoffnungen verbunden – nicht nur auf Seiten der Mitarbeiterin: Denn der Arzt hat sie in der Regel eingestellt, weil er glaubte, sie könne ihm bei der Etablierung seiner Praxis helfen. Oft muss er akzeptieren, dass ihm eine Fehleinschätzung unterlaufen ist – auf der menschlichen oder ökonomischen Ebene. Hinzu kommt: Ärzte sind medizinische Fachleute, doch in Führungsfragen und erst recht im Kündigungsmanagement ungeübt. Der emotionalen Belastung weichen sie durch Verdrängung aus – und sprechen die Kündigung zumeist ohne detaillierte Vorbereitung aus. Und zu selten bedenken sie die Folgen der Kündigung: Das Image der Praxis leidet, das Betriebsklima verdüstert sich, die Kolleginnen plagen Existenzängste, die guten Mitarbeiterinnen denken über einen Arbeitsplatzwechsel nach, es entstehen Gerüchte, ob die Praxis wohl schließen müsse.
Trennung statt Kündigung heißt die Zauberformel:
Dabei geht es nicht nur um einen angenehmer klingenden Begriff. Denn der Mitarbeiterin wird der Arbeitsplatz gekündigt, die Trennung jedoch findet zwischen zwei Menschen statt, deren Umgang von den Geboten der Fairness und des Respekts geprägt sein sollte. Das Menschenbild des Arztes spielt dabei eine große Rolle: Eine positive Grundeinstellung und ein mitarbeiterorientierter Führungsstil helfen ihm, den Trennungsprozess einfühlsam zu gestalten – immerhin stehen die beruflichen Hoffnungen und das Selbstwertgefühl einer Angestellten auf dem Spiel.
„Mein persönliches Verhalten war entscheidend, um mich von der Assistentin in einer zwar angespannten, aber doch fairen Atmosphäre trennen zu können“, berichtet ein Gynäkologe in Düsseldorf, der Anfang 2004 eine praxisbedingte Kündigung aussprechen musste: „Ich habe mich in ihre Lage versetzt und mich gefragt, wie ich mich an ihrer Stelle fühlen und was ich von meinem Vorgesetzten in einer solchen Situation erwarten würde.“
Wichtig ist die detaillierte Vorbereitung des Trennungsgesprächs: Der Arzt prüft, ob eine Trennung unausweichlich ist oder ob es eine Alternative (Teilzeit, Lohnverzicht) gibt, und entscheidet, von welcher Mitarbeiterin er sich trennen muss. Er begründet die Trennung sachorientiert und individuell – jeder Gekündigte stellt sich die Frage: „Warum gerade ich?“. Und natürlich findet es unter vier Augen statt.
Zu einer würdevollen Trennung gehören eine angemessene Verabschiedung und eine Danksagung für die geleistete Arbeit. Im Trennungsgespräch selbst beachtet der Arzt folgende Gesprächsregeln:
- kein Smalltalk: Die Mitarbeiterin hat einen Anspruch darauf, ohne Umschweife zu erfahren, worum es geht. Wenn der Arzt zunächst einen Ausflug in eine Darstellung der „gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen“ startet, um erst dann den entscheidenden Satz auszusprechen, bedeutet dies eine schmerzhafte Verzögerung des Unvermeidlichen, die die Gefühle der Betroffenen unnötig verletzt.
- Schließlich begründet er die Trennung – ehrlich und sachlich, mitfühlend und respektvoll. Zunächst nennt er die generellen praxisbedingten, danach die individuellen personenbedingten Gründe.
- Er verdeutlicht, dass die Entscheidung nach Abwägung aller Argumente und überlegt getroffen wurde. Eine Verharmlosung der Situation – „Sie werden schon schnell etwas anderes finden“ – wirkt kontraproduktiv.
- Im Trennungsgespräch stehen Arzt und Mitarbeiterin unter hohem emotionalen Stress. Der Arzt ist darauf vorbereitet, mit Gefühlen wie Angst oder Wut sorgsam umzugehen – bei der Darstellung der Situation und der Argumente darf er nicht unter- oder übertreiben, sondern muss realistisch bleiben.
- Er weist der Assistentin eine Zukunftsperspektive auf, indem er ihr eine Weiterbildungsmaßnahme empfiehlt, Ratschläge für die berufliche Umorientierung gibt und ihre Stärken hervorhebt.
- Leitmotiv des Gesprächs ist: „Wie du willst, dass dir gekündigt werde, so kündige auch du.“
Unbedingt zu vermeiden ist die Formulierung: „Ich glaube, die Praxis muss sich von Ihnen trennen“ – das wirft nur Fragen auf, die das Gespräch belasten.
Kommen dann erläuternde Gespräche mit den anderen Angestellten hinzu, denen der Arzt die Konsequenzen der Kündigung für die Praxis und die eigene Tätigkeit aufzeigt, lassen sich Demotivation, Misstrauen und Angst am Arbeitsplatz verhindern.
Karin und Michael Letter
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