Alleinhaftung des Arztes in einer Gemeinschaftspraxis

Mit einer der wichtigsten Fragen, die bei der Errichtung einer Berufsausübungsgemeinschaft zu beachten sind, befasste sich der Bundesgerichtshof. Es ging um die Haftungsverteilung innerhalb des Gesellschafterkreises einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis für einen Behandlungsfehler, den einer der Ärzte verursacht hatte. Der Bundesgerichtshof unterstrich in seiner Entscheidung erneut, dass die Gesellschafter einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis entsprechend ihrer Beteiligungsverhältnisse an Gewinn und Verlust der Gesellschaft für die Fehler eines Mitgesellschafters einzustehen haben. Hat einer der Ärzte der Gemeinschaftspraxis schuldhaft einen Behandlungsfehler verursacht und wird die Gemeinschaftspraxis von dem Patienten auf Schadensersatz in Anspruch genommen, haftet die Gemeinschaftspraxis gegenüber dem Patienten zunächst gesamtschuldnerisch. Der Patient kann sich gleichermaßen an alle Ärzte der Gemeinschaftspraxis halten, um seinen Schmerzensgeldanspruch durchzusetzen. Der Ausgleich unter den Ärzten im Innenverhältnis richtet sich grundsätzlich nach den Beteiligungsverhältnissen an Gewinn und Verlust der Praxis.

Dieser Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern kann nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch durchaus auch zu einer Alleinhaftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters im Verhältnis zu seinen Praxiskollegen führen: Nach § 254 BGB, dessen Rechtsgedanke auch im vorliegenden Zusammenhang heranzuziehen ist, ist der Grad des Verschuldens der beteiligten Ärzte für den Behandlungsfehler maßgeblich. Ist im konkreten Einzelfall eindeutig festzustellen, welcher der Ärzte der Gemeinschaftspraxis den Behandlungsfehler verursacht hat, haftet er im Innenverhältnis allein für die Forderungen des Patienten und hat seine Praxiskollegen von dessen Ansprüchen freizuhalten.

BGH, Beschluss vom 09.06.2008, II ZR 268/07

Praxistipp:
In jedem Gemeinschaftspraxisvertrag sollte unbedingt festgelegt werden, dass bei Schadensersatzansprüchen, die gegen die Gemeinschaftspraxis gerichtet werden und deren Ursache eindeutig einem Gesellschafter zu zuordnen ist, die anderen Gesellschafter einen Freistellungsanspruch gegen den betroffenen Gesellschafter haben. Allerdings sollte sich eine solche Klausel nicht „nur“ auf Behandlungsfehler erstrecken, sondern auch auf Ansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung und der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung wegen Honorarberichtigungen, Plausibilitätsprüfungen und Regressen. Während für Ansprüche aus Behandlungsfehlern in der Regel eine Haftpflichtversicherung die etwaigen Forderung deckt, treffen Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Prüfgremien jeweils unmittelbar die Praxis und ihre Ärzte im Gesellschafts- sowie Privatvermögen.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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