BSG: Entscheidungen zur Erhöhung des RLV bei besonderer Spezialisierung
Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 29.06.2011 über mehrere Fälle entschieden, in denen Vertragsärzte eine Erhöhung des RLV aufgrund von besonderen Spezialisierungen verlangten (B 6 KA 17/10 R; B 6 KA 18/10 R; B 6 KA 19/10 R; B 6 KA 20/10 R). In allen Verfahren hatten die Vertragsärzte geltend gemacht, dass ihr spezifisches Leistungsangebot durch das RLV der Fachgruppe nicht leistungsangemessen abgedeckt sei.
In den ersten drei Verfahren ging es um Fachärzte für Chirurgie. Die Klägerin im ersten Verfahren verlangte im Hinblick auf die von ihr vermehrt durchgeführten sonographischen Untersuchungen ein Regelleistungsvolumen wie Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie, die Kläger der anderen beiden Verfahren beanspruchten eine Sonderregelung im Hinblick auf die von ihnen durchgeführten proktologischen Untersuchungen. Der Kläger im vierten Verfahren war hingegen Anästhesist und beantragte eine Sonderregelung, da er ausschließlich Anästhesien bei zeitintensiven Operationen im MKG-Bereich durchführe.
Das BSG forderte, dass eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung mit messbarem Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zum Gesamtpunktzahlvolumen vorliege. Ein signifikanter Anteil des Spezialisierungsbereichs sei anzunehmen, wenn darauf in mindestens vier aufeinanderfolgenden Quartalen mindestens 20% des Gesamtpunktzahlvolumens der den RLV zuzurechnenden Leistungen entfallen würden. Sowohl die im ersten Verfahren durchgeführten sonographischen als auch die von den Klägern im zweiten und dritten Verfahren durchgeführten proktologischen Leistungen könnten dabei Gegenstand einer solchen Spezialisierung sein. Das BSG bestätigte damit die Vorinstanzen, die der Ansicht waren, dass es Ausnahmen vom RLV geben müsse, wenn sich innerhalb einer Arztgruppe – bereits vor in Kraft treten der Regelung über das RLV – Ärzte in zulässiger Weise spezialisiert hätten, und das spezifische Leistungsangebot im RLV der Fachgruppe nicht leistungsangemessen abgedeckt werde.
Anders als in den Fällen eins bis drei fehle es bei dem Kläger des vierten Verfahrens, der lediglich fachgruppentypische anästhesistische Leistungen in besonderem Umfang erbringe, dagegen an einer Spezialisierung, die Anlass für eine Änderung der Fallpunktzahl geben könne.
Im Ergebnis kann ein Anspruch auf ein höheres Regelleistungsvolumen folglich nur dann in Betracht kommen, wenn es sich um eine Spezialisierung handelt, die von den üblichen Spezialisierungen der Arztgruppe abweicht und bereits vor Einführung der RLV bestand, und auf diese Leistungen mindestens 20% des Gesamtpunktzahlvolumens der den RLV zuzurechnenden Leistungen entfallen. Keine zwingende Voraussetzung für eine Ausnahmeregelung ist hingegen, dass ohne die betroffenen Ärzte die qualifizierte Leistung im Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht.
Quelle: RAin Anna Stenger, LL.M. Medizinrecht
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