BSG: Gemeinschaftspraxis haftet nicht zwingend für „alten“ Regress eines Praxispartners

Das Bundessozialgericht hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass eine neu gegründete Gemeinschaftspraxis nicht zwingend für Regressforderungen der KV haftet, die diese gegen einen der Praxispartner während seiner früheren Tätigkeit in seiner alten Einzelpraxis festgesetzt hatte.

In dem entschiedenen Fall war über das Vermögen eines zunächst in Einzelpraxis tätigen Radiologen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die KV hatte gegen den Radiologen zu dieser Zeit noch eine offene Forderung in Höhe von 81.000 DM aufgrund einer Honorarkürzung. In der Folgezeit gründete der Radiologe mit einem ebenfalls vorher in Einzelpraxis niedergelassenen Radiologen eine Gemeinschaftspraxis. Die KV kündigte darauf hin an, die offene Honorarrückforderung gegen den einen Arzt mit den laufenden Honorarzahlungen an die Gemeinschaftspraxis verrechnen zu wollen. Die Ärzte hatten jedoch in dem Gesellschaftsvertrag zur Errichtung ihrer Gemeinschaftspraxis vereinbart, dass die Gemeinschaftspraxis nicht für Altverbindlichkeiten der Praxispartner aus deren früherer Tätigkeit hafte. Trotz entsprechender Hinweise auf ihre vertraglichen Abreden blieben sämtliche Rechtsmittel der Ärzte gegen die Verrechnungen der KV ohne Erfolg. Erst das Bundessozialgericht entschied, dass aufgrund des Haftungsausschlusses im Gesellschaftsvertrag der Gemeinschaftspraxis keine Rechtsgrundlage dafür bestehe, dass die Gemeinschaftspraxis für solche Verbindlichkeiten eines der Ärzte aus seiner früheren Tätigkeit hafte. (BSG, Urt. v. 07.02.2007, B 6 KA 6/06 R)

Fazit: Entgegen der Vorinstanzen haben die Richter des BSG richtigerweise nicht nur das vertragsarztrechtliche Regelungsgefüge und die besondere öffentlich-rechtliche Prägung und Zweckbindung der von der KV zu verteilenden Gesamtvergütung im Blickfeld gehabt, sondern auch die zivilrechtlichen Vorschriften über die Zulässigkeit einer Aufrechnung. Diese fordern ein Gegenseitigkeitsverhältnis der gegeneinander aufzurechnenden Forderungen. Da die KV jedoch nicht gegen die Gemeinschaftspraxis, sondern nur gegen einen der Ärzte eine Regressforderung hatte, fehlte es an dem Erfordernis der Gegenseitigkeit, so dass die Aufrechnung unzulässig war.

Praxistipp: Auch wenn schon vor dieser BSG-Entscheidung vor der Unterzeichnung eines Gemeinschaftspraxisvertrages genau zu prüfen war, ob einem der künftigen Partner Regresse oder Honorarkürzungen drohten, für deren Abwicklung entsprechende Vereinbarungen zu treffen waren, sollte jetzt im Grunde standardmäßig in jeden Gemeinschaftspraxisvertrag ein entsprechender Haftungsausschluss der Gemeinschaftspraxis aufgenommen werden.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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