Neue wichtige Entscheidungen des Bundessozialgerichts

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 14. Dezember 2011 gleich mehrere Entscheidungen getroffen, die für Vertragsärzte von Bedeutung sind:

Fortführung der Individualbudgets in Nordrhein war rechtswidrig
Das BSG hat in dem Termin vom 14.12.2011 in vier Parallelurteilen entschieden, dass die Individualbudgets der KV Nordrhein im Zeitraum vom Quartal 2/2005 bis zum Quartal 4/2008 rechtswidrig waren, da sich die KV Nordrhein nicht an die gesetzliche Vorgaben gehalten hatte.

Die Verfahren betrafen Streitigkeiten über die Höhe des vertragsärztlichen Honorars im Quartal 2/2005, insbesondere über die Rechtmäßigkeit des der Berechnung zugrunde gelegten Honorarverteilungsvertrages (HVV). Die Kläger waren Fachärzte verschiedener Fachrichtungen, die als Einzelärzte oder in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) im Bezirk der KV Nordrhein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahmen. Die KV Nordrhein setzte den Honoraranspruch der Ärzte für das Quartal 2/2005 auf der Grundlage des seinerzeit maßgeblichen HVV fest, welcher – in weitgehender Fortführung der bisherigen Regelung – eine Begrenzung der mit festen Punktwerten vergüteten Leistungsmenge auf der Grundlage arztindividueller Abrechnungswerte vorgab.

Dies war nach Auffassung des BSG weder mit den gesetzlichen Regelungen der Honorarverteilung mittels Regelleistungsvolumina (RLV), noch mit der Übergangsregelung des Bewertungsausschusses vereinbar. Das BSG führte aus, dass Individualbudgets kein Steuerungsinstrument darstellten, das den gesetzlich vorgegebenen RLV in seinen Auswirkungen vergleichbar sei.

Strukturell vergleichbare Auswirkungen könnten nur bei Honorarbegrenzungsregelungen in Betracht kommen, denen zumindest auch auf den Arztgruppendurchschnitt bezogene Leistungsmengen bzw. Mengenbegrenzungen zugrunde lägen. Ob die KV Nordrhein nunmehr einen neuen HVV für diesen Zeitraum vereinbaren muss oder es zu einem Vergleich mit den betroffenen Ärzten kommt, ist noch offen.

Diese Entscheidungen sind aufgrund der Vergleichbarkeit Rechtslagen auch im Bereich anderer Kassenärztlicher Vereinigungen bedeutsam, die ab dem 01.04.2005 keine RLV eingeführt haben. (B 6 KA 3/11 R, B 6 KA 4/11 R, B 6 KA 5/11 R, B 6 KA 6/11 R)

Vorsicht bei Vertretungen in haus- und fachärztlich internistischer BAG
Das BSG hatte zudem über die Frage zu entscheiden, ob in einer BAG zwischen einem hausärztlich und einem fachärztlich tätigen Internisten im Wege der praxisinternen „Vertretung“ der Hausarzt den fachärztlichen Internisten vertreten darf und hier auch fachärztliche Leistungen abrechnen kann.

Das BSG verneinte dies. Der Abrechnungsausschluss für Ärzte, die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, gelte auch in einer fachübergreifenden oder versorgungsbereichsübergreifenden BAG, also auch für die klagende BAG aus haus- und fachärztlich tätigen Internisten. Auch hier blieben die Ärzte an die Grenzen ihres Fachgebiets gebunden und auf die Erbringung von Leistungen ihres Versorgungsbereichs beschränkt.

Die Trennung der Versorgungsbereiche müsse auch in einer BAG beachtet werden; insoweit richte sich auch der Umfang der vom einzelnen Arzt zu erbringenden Leistungen nicht allein nach dessen fachlichem Können oder seiner berufsrechtlichen Berechtigung, sondern auch und vorrangig nach den Regeln der vertragsärztlichen Versorgung. (B 6 KA 31/10 R)

Zulassungsausschuss ist an die Höhe des vereinbarten Praxiskaufpreises gebunden
Nach einer weiteren Entscheidung des BSG vom 14.12.2011 sind Zulassungsgremien nicht berechtigt, den Verkehrswert einer Praxis abweichend vom vereinbarten Kaufpreis festzusetzen, wenn sich Praxiskäufer und -verkäufer bereits auf einen Kaufpreis geeinigt haben.

Für eine solche Entscheidung der Zulassungsgremien sei nur Raum, wenn zwischen dem ausscheidenden Arzt und den Bewerbern Streit über den Verkehrswert bestehe. Die Regelung, dass die Interessen des ausscheidenden Arztes nur insoweit zu berücksichtigen sind, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt, solle lediglich verhindern, dass aus einer Mehrheit von geeigneten Bewerbern derjenige auszuwählen sei, der den höchsten Kaufpreis zahle. Jeder Bewerber müsse andererseits zur Zahlung eines Kaufpreises mindestens in Höhe des Verkehrswertes bereit sein.

Sofern zwischen allen Bewerbern und dem ausscheidenden Vertragsarzt jedoch Einigkeit über den Kaufpreis erzielt worden sei, bestehe keine Notwendigkeit zur Festsetzung des Verkehrswertes, weil die Bereitschaft zur Zahlung eines bestimmten Kaufpreises dann kein Auswahlkriterium mehr darstelle. (B 6 KA 39/10 R)

Quelle: RAin Anna Stenger, LL.M. Medizinrecht
WIENKE & BECKER – KÖLN, Rechtsanwälte,
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