Praxisübergabe in Städten keine Selbstverständlichkeit mehr
Im letzten Newsletter ging es um die neue Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die zum 01.07.2013 durch die Landesausschüsse umgesetzt werden soll. Neben der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie kann seit dem 01.01.2013 auch eine weitere neue Regelung Auswirkung auf die Praxisübergabe an einen Nachfolger haben, die wir bereits im letzten Jahr in unserem Newsletter diskutiert haben. Hierzu schreibt unsere Autorin Frau RAin A. Stenger:
Bislang musste der zuständige Zulassungsausschuss auf Antrag eines niedergelassenen Vertragsarztes ein Nachbesetzungsverfahren auch in gesperrten Planungsbereichen durchführen. Diese Entscheidung stand also nicht in seinem Ermessen, vielmehr galt ein Bestandsschutz. Der neue § 103 Abs. 3 a SGB V sieht demgegenüber etwas ganz anderes vor: Endet künftig die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung und soll die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden, haben der Vertragsarzt oder seine Erben einen Antrag beim Zulassungsausschuss auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens zu stellen. Liegt dem Zulassungsausschuss ein solcher Antrag vor, hat er vorab zu prüfen, ob auf eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen verzichtet werden kann. Er kann den Antrag demnach zukünftig ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist, was regelmäßig in gesperrten Planungsbereichen der Fall sein dürfte.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen, da der Zulassungsausschuss bei seiner Prüfung auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen hat. Hat er z.B. darüber zu entscheiden, ob ein Vertragsarztsitz innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft nachbesetzt werden soll, sind auch die Auswirkungen seiner Entscheidung auf die Berufsausübungsgemeinschaft zu berücksichtigen. Eine weitere Ausnahme liegt dann vor, wenn der Vertragsarzt oder seine Erben dargelegt haben, dass sich als Praxisnachfolger eine oder mehrere Personen bewerben werden, bei denen es sich um den Ehegatten, Lebenspartner bzw. ein Kind oder um einen angestellten Arzt des bisherigen Vertragsarztes handelt. In diesen Fällen muss ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden.
Mit den gesetzlichen Neuregelungen werden die unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten für die niedergelassenen Ärzte erheblich eingeschränkt. Hatten also bisher Praxen in gesperrten Planungsbereichen Bestandsschutz, beschränkt sich dieser durch die Neuregelung nur noch auf die vermögensrechtliche Komponente. Entscheidet sich der Zulassungsausschuss gegen eine Nachbesetzung (Anmerkung Frielingsdorf: nach unseren Informationen derzeit in den meisten Bundesländern unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen), hat die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) den Vertragsarzt bzw. die Erben zu entschädigen, und zwar in Höhe des Verkehrswertes der Praxis. Mit der Erstattung des Verkehrswertes der Praxis kann jedoch eine erhebliche Vermögenseinbuße einhergehen: Die Bestimmung des (richtigen) Verkehrswertes ist nicht geregelt und erfolgt nicht objektiv nach festgelegten Kriterien, sondern ist von zahlreichen Umständen abhängig, die sich sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Praxisinhabers auswirken können. Nach welcher Methode die Berechnung zu erfolgen hat, sagt die Neuregelung nicht, so dass der KV bezüglich des unbestimmten Begriffs „Verkehrswert“ ein großer Ermessensspielraum zustehen wird, der gerichtlich nicht voll überprüfbar ist. Daher steht zu befürchten, dass die KVen versuchen werden, den Preis für den Arztsitz zu drücken, indem sie den Verkehrswert möglichst niedrig ansetzen.
Quelle: RAin Anna Stenger, LL.M., Fachanwältin für Medizinrecht
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