Regierungsbildung und Koalitionsvertrag?
Aus den zahlreichen Vereinbarungen im Kapitel „Gesundheit & Pflege“ des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD greifen wir nachfolgend für Sie drei wichtige Änderungsvorhaben auf:
1. „Die gesetzlichen Vorgaben zum Abbau von Überversorgung durch den Aufkauf von Arztsitzen werden von einer „Kann“ in eine „Soll“-Regelung überführt.“
Mit dem Versorgungsstrukturgesetz (VStG) hat der Zulassungsausschuss das Recht erworben, Praxen in überversorgten Bereichen anlässlich der Praxisabgabe gegen Entschädigung stillzulegen. Mit der angestrebten Änderung wären die Zulassungsausschüsse wohl gehalten, diese Maßnahmen zu forcieren.
Das Risiko der Stilllegung bei der Praxisabgabe im überversorgten Bereich besteht insbesondere für kleinere Einzelpraxen. Abwehr-Strategien bestehen in der frühzeitigen Einbindung des Praxisnachfolgers in die Praxis (z.B. als JobSharer) oder in der Übertragung der Praxis auf eine Großpraxis oder ein MVZ im Wege des Verzichtes. Im letztgenannten Fall muss der abgebende Arzt für eine Übergangsphase als Angestellter beim Übernehmer tätig sein.
Unabhängig davon raten Medizinrechtler, gegen einen Bescheid auf Zulassungsentzug und Entschädigung Widerspruch einzulegen. Denn insbesondere gegen die im Gesetz nicht näher geregelte Festlegung der Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes dürften sich mithilfe eines Praxiswertgutachtens zahlreiche Angriffspunkte finden.
2. „Die Möglichkeit zur Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Versorgung in unterversorgten Gebieten wird verbessert. Dazu wird bei der Ermächtigung in § 116 a SGB V das Wort „kann“ durch „muss“ ersetzt …“
Um die medizinische Versorgung in unterversorgten Gebieten zu verbessern, soll Ermächtigung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung von Patienten forciert werden. Mit der Umsetzung dieser Regelung würde den Krankenhäusern in unterversorgten Gebieten für die jeweiligen Fachgebiete der Zugang zum ambulanten Sektor erheblich erleichtert.
3. „Künftig werden auch arztgruppengleiche Medizinische Versorgungszentren zugelassen. Außerdem wird es auch Kommunen ermöglicht, Medizinische Versorgungszentren zu gründen; davon unberührt gilt der Vorrang eines ärztlichen Bewerbers (§ 103 Abs. 4c SGB V).“
Krankenhäusern mit MVZ-Wunsch würde diese Regelung in jedem Fall entgegen kommen, da künftig nicht mehr Zulassungen aus verschiedenen Fachgruppen erworben werden müssten. Ob Kommunen in unterversorgten Gebieten MVZ gründen, sofern die Regelung umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Viele Kommunen kämpfen mit ihren eigenen Haushaltsdefiziten und haben zudem häufig nur wenig Erfahrung im ambulanten Gesundheitsmarkt.
Inwieweit die im Koalitionsvertrag niedergeschriebenen Absichten zunächst im Gesetzgebungsverfahren und im Anschluss über die Selbstverwaltung umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Die Wahl von CDU-Generalsekretär Herrmann Gröhe zum neuen Bundesgesundheitsminister zeigt, dass wir auf Überraschungen gespannt sein dürfen.