Wirtschaftlichkeitsprüfung: Ärzte müssen Datenfehler konkret rügen
Den elektronisch erfassten Verordnungsdaten kommt in der Wirtschaftlichkeitsprüfung der vertragsärztlichen Versorgung eine wichtige Rolle zu, stützt sich doch insbesondere im Bereich der Arzneimittelverordnung die statistische Durchschnittsprüfung und die Richtgrößenprüfung auf das Verordnungsvolumen des einzelnen Arztes, das aus den Verordnungsdaten errechnet wird. Häufig werden diese Verordnungsdaten jedoch nicht korrekt ermittelt, da – wie bei jeder Datensammlung – zahlreiche Fehlerquellen vorhanden sind. So kommt es etwa bereits beim Einscannen der Rezepte in den Apothekenrechenzentren aufgrund schlechter Druckqualität oder wegen Knicken oder Falten im Papier immer wieder zu Datenfehlern: Die Verordnungen des einen Arztes werden z. B. aufgrund unleserlicher Arztnummer dem Kollegen zugeordnet oder die Preise für das Medikament werden falsch erfasst.
Deshalb sollte jeder Arzt im Prüfverfahren das von der Prüfungsstelle aufbereitete statistische Material eingehend auf seine Schlüssigkeit und Plausibilität prüfen. Kann der Arzt konkret darlegen, dass begründete Zweifel an der Richtigkeit der elektronisch aufbereiteten Datenlage bestehen, sind die Prüfgremien verpflichtet, diesem Verdacht nachzugehen und die originalen Verordnungsblätter oder jedenfalls die Printimages beizuziehen. Diese Verpflichtung der Prüfungsstelle hat das Bundessozialgericht in einer aktuellen Entscheidung erneut betont.
Erforderlich sind allerdings konkrete und nachvollziehbare Angaben des geprüften Arztes, die die Richtigkeit der elektronisch ermittelten Ergebnisse zweifelhaft erscheinen lassen. Deshalb sollte der Arzt anhand der detaillierten Datenlisten, die er von der Prüfungsstelle in der Regel zugeleitet bekommt (meist in Form einer Daten-CD), die ihm zugeordneten Arznei- bzw. Heilmittelverordnungen genau prüfen. Kann der Arzt dann Verordnungsbeträge in dem betroffenen Quartal konkret widerlegen, ergibt sich für die Prüfgremien die Verpflichtung, die originalen Verordnungsblätter beizuziehen.
BSG, Urteil vom 16.07.2008, B 6 KA 57/07 R
Praxistipp: Sind in den jeweiligen Prüfverfahren vom Arzt konkrete Zweifel an der Richtigkeit der Datenlage nachvollziehbar dargelegt worden und unterlässt die Prüfungsstelle gleichwohl die Beiziehung der Originalverordnungsblätter oder der Printimages, stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der die Entscheidung der Prüfungsstelle oder des Beschwerdeausschusses von vornherein angreifbar macht.
Die Prüfung der Verordnungsdaten auf ihre Plausibilität kann mit Hilfe der eigenen Praxissoftware erfolgen, in der die jeweils ausgestellten Verordnungen ebenfalls gespeichert sind. Ergeben sich hier eklatante Abweichungen der Verordnungssummen oder enthalten beispielsweise die Arzneiverordnungslisten der Prüfungsstelle Präparate, die in dem Quartal mit Sicherheit nicht verordnet worden sind, sind damit bereits Hinweise gewonnen, mit denen die Datenlage substantiiert angegriffen werden könnte.
Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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